Der Vortrag titelt: „Das europäische Parlament – Stimme der Bürgerinnen und Bürger“. Aber stimmt das wirklich? Die Europa-Wahl am 09. Juni erfährt nicht so viel Aufmerksamkeit wie eine Bundes- oder Landtagswahl. Lag die Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl bei 76,4 % (de.statista.com), gingen lediglich etwa 50 % bei der Europawahl 2019 zur Wahlurne. Lohnt es sich also nicht, an der Wahl teilzunehmen, weil „die“ doch machen, was sie wollen und die Interessen der Bürger*innen keine Berücksichtigung finden?
„Auf jeden Fall lohnt es sich, zur Wahl zu gehen und überhaupt, sich für Europa zu interessieren. Deutschland stellt mit seinen 84 Millionen Einwohnern gerade einmal 1 % der Weltbevölkerung, auf nationaler Ebene werden wir die globalen Fragen nach Klimaschutz, Sicherheit, Finanzen, etc. nicht lösen können. Wir liegen geografisch im Herzen Europas mit 9 Nachbarstaaten. Wir Europäer müssen zusammenhalten, um mitzuhalten!“, ist Ingo Espenschied überzeugt.
Aber was machen die da im Europäischen Parlament? Der Politologe und Journalist Espenschied hat den Abgeordneten Carsten Lucke (Rheinland-Pfalz) besucht und bei seiner Arbeit begleitet. Im beeindruckenden Plenarsaal in Straßburg sitzen derzeit 705 Abgeordnete aus den 27 Mitgliedstaaten. Den Status als gesetzgebende Gewalt hat das Europäische Parlament nach einem langen Weg 2009 erlangt. Was haben wir davon? Espenschied nennt als Beispiele die einheitliche Klassifizierung von Elektrogeräten, das Roaming-Gesetz, die DGSVO, das Klimagesetz und die Vereinheitlichung von USB-C-Steckern für Kleingeräte, wie Smartphones.
Langer Weg? Europa gab und gibt es doch schon immer!? Ohne einen Blick zurück, kann man die Bedeutung Europas nicht verstehen, ist sich Espenschied sicher. Nach den beiden Weltkriegen hatte Europa seine Vormachtstellung in der Welt verloren. Die historischen Fakten sind bekannt.
Der französische Außenminister Robert Schuman entwickelte die Idee einer friedlichen Zusammenarbeit in Europa und schon 1951, sechs Jahre nach Kriegsende, wurde die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, kurz auch Montan-Union genannt, mit den sechs Mitgliedstaaten Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, Niederlande und Luxemburg gegründet. Seitdem hat sich die EU erweitert auf aktuell 27 Mitgliedstaaten. 1979 wurde das erste europäische Parlament gewählt. 1993 kam der EU-Binnenmarkt, 2002 der Euro in 20 Staaten, um nur einige Stationen zu nennen. „Sie können innerhalb Europas studieren und arbeiten, wo sie wollen, das ist ein großes Privileg!“, betont Espenschied.
„Sicher läuft nicht alles gut, es gibt immer unterschiedliche Sichtweisen.“, gibt der Journalist zu. „Aber: Europa ist alternativlos. Es gibt keine „Goldrand-Lösung“, keine einfache Antwort auf schwierige Fragen. Wir leben alle im Wohlstand, dessen sollten wir uns bewusst sein. Gut, Entbürokratisierung täte der EU bestimmt gut. Wir sollten uns von unserer „Vollkasko-Mentalität“ verabschieden. Es muss nicht alles bis ins Kleinste abgesichert sein. Freiheit heißt auch immer Risiko!“, beendet der überzeugte Europäer seinen Vortrag.
Ein besonderer Dank gebührt Helge Peter Ippensen vom Europabüro beim Amt für regionale Landesentwicklung Weser-Ems, der die Veranstaltung unterstützt hat und Raimund Kahl, Leiter der Fachgruppe Politik, der für die Organisation zuständig war.